Montag, 27. April 2020

Corona-Ferien? Nicht für die Soziale Arbeit – im Gegenteil!

Ein Beitrag von Julia Häußler

Im Zuge der andauernden Corona Pandemie, die alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens in seinen Bann gezogen hat, möchte ich heute das Thema in Hinblick auf die Bedeutung für die Soziale Arbeit näher durchleuchten. Die Medien berichten seit einigen Wochen von systemrelevanten Berufen, vor allem von Berufsgruppen, die in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen für Menschen mit Behinderung tätig sind. Sie sind Mittelpunkt der Medien und Ihnen gebührt der Dank und die Anerkennung für ihre geleistete Arbeit - zu Recht. In diesem Kontext wird auch die Möglichkeit genutzt über ihre Arbeitsbedingungen, ihr niedriges Gehalt und die schwierigen Rahmenbedingungen dieser Berufsgruppen zu berichten und die Gesellschaft über die Bedeutung dieser Professionen wachzurütteln.


Doch wo bleibt die Soziale Arbeit?

Ich möchte kurz die Bedeutung der Sozialen Arbeit am Beispiel von einer stationären Einrichtung deutlich machen. In einer stationären Einrichtung werden Kinder und Jugendliche aufgenommen, die in der Regel nicht ohne weiteres wieder nach Hause gehen können. Meist ist es ein langwieriger, schwerer, aber auch langfristig positiver Weg für die Heranwachsenden und auch ihre Eltern. Es ist nicht möglich „die Schotten der Einrichtung dicht zu machen“ und die Aufgenommenen aus ihrer sicheren Umgebung und ihrem Alltag zu entreißen und nach Hause zu verweisen bis die Pandemie überstanden ist.

Durch die anhaltende Betreuung zuhause, aufgrund der Schließung von Kindertagesstätten und Schulen sowie die Einschränkungen in der Bewegung außerhalb des Familienkreises wird eine erhöhte Zahl an Konfliktfällen und Gewaltbereitschaft in den Familien verzeichnet. Schwelende Konflikte beginnen zu brennen und es besteht für die Familien keine Möglichkeit zu entweichen. Folge dessen ist eine erhöhte Zahl an Anfragen für Inobhutnahmen bei Jugendhilfeträgern. Somit ist es keine Möglichkeit stationäre Einrichtungen zu schließen.

Weiter gedacht gilt es auch an Menschen in Flüchtlingsunterkünften, die auf engem Raum zusammen wohnen oder auch Tätigkeitsfelder der Sucht- und Wohnungslosenhilfe oder Kinder- und Jugendpsychiatrien zu denken. Ein weiteres Beispiel wäre die Sozialpädagogischen Familienhilfe, die einen großen Beitrag leistet, um das Familienleben stabil zu erhalten und die Kinder in ihrem Wohl und vor einer Inobhutnahme als letztes Mittel zu schützen, wie es derzeit häufig vorkommt. All das sind nur Beispiele, die Soziale Arbeit innehat.

Welche Herausforderung trifft die Soziale Arbeit aktuell mit besonderer Härte?

Die Soziale Arbeit, verglichen mit den schon genannten, publiken, systemrelevanten Berufsgruppen, hat ähnliche strukturelle Schwierigkeiten und Herausforderungen, welche ich kurz aufzeigen möchte. Im Bereich der Sozialen Arbeit herrschen schwierige Verhältnisse durch die Ökonomisierung der Profession. Die Entlohnung der MitarbeiterInnen könnte besser sein, tarifgerechte Bezahlung ist häufig nur schwer zu finden – Träger haben oft keine Möglichkeit, die wichtige, anspruchsvolle und fordernde Arbeit, die ihre Mitarbeitenden leisten, ausreichend zu honorieren. Bedenkt man einmal die große Verantwortung, die die MitarbeiterInnen für ihre Betreuenden tragen. Auch das ist ein Grund, der den Fachkräftemangel in der Sozialen Arbeit begünstigt – die Rahmenbedingungen wie Schichtarbeit und strenge Regulierungen zum refinanzierten Personaleinsatz außen vor gelassen.

Weiter geht es um Themen wie Digitalisierung mit Datenschutz sowie Arbeitssicherheit. Digitalisierung, damit die pädagogischen Fachkräfte einen neuen Kanal finden, wie sie ihre Klienten erreichen und mit ihnen gemeinsam ihre Anliegen betreuen können. Das Thema Digitalisierung bringt automatisch die Bearbeitung verschiedener Datenschutz-Fragen mit sich. Arbeitssicherheit: Wie kann man es schaffen in einem Metier, das besonders durch Beziehungsarbeit, physischer Anwesenheit und persönlichem Kontakt geprägt ist, Sicherheit für das Wohl und die Gesundheit der MitarbeiterInnen – und auch der Klienten – zu schaffen? Schutzkleidung wie Masken und Filter sind Mangelware und werden nur mit Verzögerung und in aufgeteilten Mengen den Einrichtungen geliefert.

Es besteht die Herausforderung in einem kurzen Zeitfenster zu reagieren und die Soziale Arbeit individuell für jeden Tätigkeitsbereich, weiterzuentwickeln. Beispiele hierfür sind telefonische Sprechstunden, Videokontakt oder Mailaustausch bzw. die spezielle räumliche Vorbereitung unter Einhaltung der gegebenen Schutzmaßnahmen. Es braucht dafür besonders reflektiertes und organisiertes Handeln. Auch so kann das Pausieren von verschiedenen Maßnahmen eingedämmt werden. Mit diesem innovativen, kreativen und alternativem Vorgehen können Kostenträger überzeugt und somit eine weitere Finanzierung der Angebote ermöglicht und dadurch auch Kurzarbeit in gewissem Maß verhindert werden.

Da keiner weiß, wann die Vorgaben der Regierung geändert werden und eine Normalisierung der Situation stattfindet, gilt es auch daran zu denken, wie das Arbeiten im Sozialen Bereich nachhaltig verändert werden kann – denn wir alle wissen, die Pandemie wird noch monatelang aktuell sein und es besteht weiterhin die Gefahr des erneuten Anstiegs der Infektionszahlen. Wenn es also eine Rückführung zur Normalität gibt, gilt es zu überlegen wie diese aussehen könnte und inwiefern das Personal und die Klienten durch neue Rahmenbedingungen und Konzepte geschützt werden können.

Fazit
Mit diesem Artikel möchte ich einen Appell an alle MitarbeiterInnen der Sozialen Arbeit richten und sie darauf aufmerksam machen, welchen Stellenwert sie für die Gesellschaft haben. Gerade jetzt sind die Anforderungen an das Personal besonders hoch. Ich bin mir sicher, Ihnen allen ist das bewusst. Nun gilt es, stellvertretend für die Profession selbstbewusst zu sein und das darzustellen. Jede/r Einzelne ist nun dafür verantwortlich diesen Missstand, der aktuell herrscht, deutlich zu machen. Wir müssen uns gegenseitig unterstützen und unser Netzwerk nutzen, um die Wichtigkeit der Sozialen Arbeit – gerade in dieser Situation – zu verdeutlichen: mit dem Ziel, dass die Gesellschaft sich auch nach dem Ende von Corona noch an uns SozialarbeiterInnen und die Bedeutung der Profession erinnert.

Angaben zu meiner Person
Mein Name ist Julia Häußler. 2019 beendete ich erfolgreich das Studium Soziale Arbeit – Sozialmanagement an der DHBW Heidenheim. Als Trainee zur Nachwuchsführungskraft arbeite ich in einer Art Projektmanagement in unterschiedlichen Einrichtungen und Aufgabengebieten der Katholischen Jugendfürsorge Augsburg e.V. und absolviere das Diplomas of Advanced Studies am CAS der DHBW in Heilbronn, welchem im Oktober 2020 der offizielle Start für das Studium des Masters General Business Management folgt.

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